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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Urteil des OLG Hamm 3 Ss OWi 85/05 vom 10.03.2005

zum Urteil

Leitsatz

Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich von Werkleistungen, die unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 OWiG erbracht worden sein sollen.

Kommentar

Mit dem Urteil des OLG Hamm wurde eine Verurteilung des Amtsgerichts Bielefeld vom 2. November 2004 wegen angeblicher Beauftragung von unerlaubter Handwerksausübung aufgehoben.

Das Urteil enthält einige Absonderlichkeiten:

Änderung der Handwerksordnung

Dem Betroffenen wird unter anderem Vorgeworfen, er habe Fliesenlegerarbeiten von einem Betrieb ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausführen lassen. Seit 01.01.2004 gehört das Fliesenleger-Handwerk zu den zulassungsfreien Gewerben, für die keine Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich ist. Auch wenn die Arbeiten vor Ende 2003 ausgeführt wurden, kann dies seit dem 01.01.2004 nicht mehr nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit bestraft werden.

OWiG § 4 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten lautet:

Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

Da das Fliesenleger Handwerk nicht mehr dem Meisterzwang unterliegt, ist die neue Rechtslage milder und müßte berücksichtigt werden. Deswegen hätte die Änderung der Anlage A der HwO berücksichtigt werden müssen.

Siehe hierzu Beschluss des OLG Bamberg Az: 2 5s OWi 109/2005 vom 26.07.2005

Änderung des Regelungszwecks

Nur am Rande sei bemerkt, daß auch die Frage, ob für eine Tätigkeit eine Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich ist nach der Änderung der Handwerksordnung neue Bewertet werden muß.

Früher mußte nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1961 (GewArch 61, 157) einen Beitrag zur Sicherung des Leistungsstands und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft leisten, wenn Tätigkeiten dem Meisterzwang unterfallenden.

Nach der Handwerksnovelle 2004 ist der Regelungszweck für den Meisterzwang die Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten.

Die Abgrenzungskriterien, ob eine Tätigkeit dem Meisterzwang unterfällt muß also an diesem Regelungszweck entschieden werden. Dies hätte vom OLG Hamm am Urteil des AG Bielefeld bemängelt werden müssen. Die Feststellung von genauen Tatzeiten und Orten genügt also nicht, um zu prüfen, ob eine Tätigkeit dem Meisterzwang unterfällt.

Der § 1 Abs. 2 Handwerksordnung enthält eine offene Liste von Kriterien, die nicht dem Meisterzwang unterfallen. Der Gesetzgeber wollte also weitere Kriterien bei diesen Abgrenzungsfragen berücksichtigt wissen. Die Frage, ob eine Tätigkeit eine Gefahr für Gesundheit und Leben von Dritte darstellt, hätte selbstverständlich für jede einzelne Teiltätigkeit also nicht pauschal für ein ganzes Handwerk geprüft werden müssen. Als Maßstab könnten hier zum Beispiel die Anforderungen dienen, die die Berufsgenossenschaften an diejenigen stellen, die diese Tätigkeiten ausführen.

Änderung des Schwarzarbeitsgesetz

In dem Urteil des AG Bielefeld wurde eine Verurteilung wegen dem "vorsätzlichen Ausführenlassens von Werkleistungen in erheblichem Umfang unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG".

Seit 01.08.2004 ist die Änderung des Schwarzarbeitsgesetzes in Kraft. Nach dieser Gesetzesänderung ist der Bußgeldrahmen von 100.000,- auf 50.000,- Euro abgesenkt worden. offensichtlich ist also die geänderte Fassung des Gesetzes die mildere Vorschrift die deswegen auch hätte angewendet werden müssen.

Dies ist nicht geschehen, sonst hätte nicht der § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG sonder der § 1 Abs. 2 Nr. 5 genannt werden müssen.

Wegen des abgesenkten Bußgeldrahmens hätte das Bußgeld auch niedriger bemessen werden müssen.

Über die Änderung des Schwarzarbeitsgesetzes wurde im Jahr 2004 (so wie über die Änderung der Handwerksordnung im Jahr 2003) intensiv in den Medien berichtet. Es ist unverständlich warum die Richter hier - wie auch in anderen Urteilen die geänderte Gesetzeslage ignorieren.

Vorsatz bei Ordnungswidrigkeiten

Ordnungswidrigkeiten - also auch unerlaubte Handwerksausübung - können grundsätzlich nur bestraft werden, wenn sie vorsätzlich begangen werden.

An dem Urteil ist erfreulich, daß das OLG Hamm, die Frage des Vorsatzes erörtert hat. Wie können Handwerker erfahren, welche Tätigkeiten sie ausüben dürfen und welche nicht? Erst recht, wie kann ein Auftraggeber erfahren, welche Tätigkeiten ein Auftragnehmer ausführen darf. - Hier kommt ja auch der unerhebliche handwerkliche Nebenbetrieb in Betracht, was für einen Auftraggeber in keinster Weise nachvollziehbar ist.

Wenn das Gericht vorurteilslos geprüft hätte, ob der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat, hätte es feststellen müssen, daß man kaum vorsätzliche unerlaubt ein Handwerk ausüben kann. Die Antworten auf die zahlreichen Anfragen des BUH bei Behörden und Ministerien nach den Abgrenzungen zwischen erlaubter und verbotener Gewerbeausübung im handwerklichen Umfeld zeigen, daß die Behörden keine Auskünfte erteilen. (Dem BUH liegen Schreibe von Ordnungsämtern vor, in denen sich diese selbst dann weigern Stellung zu handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen zu nehmen, wenn Sie von Gerichten dazu aufgefordert werden). Es kann dahingestellt bleiben, ob sie es nicht können oder nicht wollen. Entscheidend ist, daß man keine Möglichkeit hat mit zumutbarem Aufwand eine zuverlässige Auskunft von einer hierzu berufenen Stelle zu bekommen. Die Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaften sind dazu nicht berufen! Wenn man diese Institutionen nach Ihrer Haftung für solche Auskünfte fragt wurde BUH-Interessenten wiederholt mitgeteilt, daß diese Institutionen lediglich Rechtsmeinungen hierzu vertreten, aber sie für diese Auskünfte nicht haften. Diese Auskünfte sind also nicht vertrauenswürdig. Diese Institutionen sind auch nicht für diese Auskünfte zuständig.

Es kann einen Bürger auch nicht zugemutet werden, daß sein Grundrecht auf freie Berufsausübung ohne klare gesetzliche Regelung nur aufgrund einer Rechtsmeinung der Interessenorganisation seiner möglichen Konkurrenten eingeschränkt wird. Damit würde das Grundrecht vollständig außer Kraft gesetzt.

Daß die Gerichte nicht die Verfassungsmäßigkeit des Meisterzwangs in Frage stellen, wenn die Betroffenen dies nicht selber Vortragen ist allerdings nachvollziehbar.

Urteile wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung halten meistens einer Überprüfung durch die Oberlandesgerichte nicht Stand - sie werden aufgehoben.

Weitere Informationen


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Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.

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